Axel Ohm von Überquell

Axel Ohm von Überquell

Wir haben mit Axel Ohm, dem Gründer von ÜberQuell Hamburg über das Surfen, das Bier und die Philosophie von ÜberQuell gesprochen. Als wir letztes Jahr in Hamburg zu Besuch in den ÜberQuell Braustätten waren, hat Axel einiges von der Bierwelt und der Geschichte des Bieres erzählt. Dabei ging es im Wesentlichen um die Geschichte der Hanse, aber auch um die heutige Craftbeer Welt in Hamburg. Witzig ist, dass viele Menschen nicht wissen, dass der Bierstil Weizen seinen Ursprung im hohen Norden hat. Genauso kommt das Bockbier ursprünglich aus Einbeck, das bei Hannover liegt. Auch hat uns interessiert, wie ÜberQuell überhaupt entstanden ist und natürlich hat uns Axel’s Werdegang interessiert. Alle diese Fragen und mehr hat er uns beantwortet.

Axel, wie bist Du zum Bier gekommen, wie hat das alles bei Dir angefangen?


Das war bei mir eher etappenweise. Ich war früher Profi-Windsurfer und habe 1985 eine World Cup Regatta in San Francisco gesurft. Auf den Events gab es immer Biersponsoren. Der bekannteste Sponsor war Budweiser, aber auf dem Event in San Francisco gab es eine Brauerei namens Samuel Adams. Die Brauerei hatte das Boston Lager ausgeschenkt, was unglaublich lecker war. Leider war es bei er nächsten Regatta nicht mehr am Start. Das war auf jeden Fall das erste Aha Erlebnis in Punkto Craftbeer für mich. Auch kam die Erkenntnis, dass es in anderen Ländern mehr Biere gibt als unser Standardpils dazu. Dann war lange Zeit nichts bei mir mit Bier los, obwohl ich wusste, dass es immer kleine bayrische Brauereien gibt, die etwas andere Biere brauten. Damals waren mir noch nicht so bewusst, dass es Bierstile gibt. Ich dachte bei Bier immer erst an Marken.

Während der nächsten 10 Jahre habe ich dann in Südafrika gelebt. Dort hatte ich Freunde unter den Surfern, die auf Weinberge aufgewachsen sind. Einer von denen hat mich dann an die Hand genommen und innerhalb von einigen Monaten Rebsorten, Sensorik, Geschmack und Aromen näher gebracht. Ich fing an Wein zu verstehen und es in Worten zu beschreiben. In der Zeit zwischen 2007 und 2008 entstanden plötzlich die ersten Craftbeer Brauereien in Südafrika und es war interessant zu sehen, dass Bier über Stil, Geschmack und Aromenvielfalt, ähnlich wie beim Wein beschrieben wurde. Die Biersorten hatten verrückte Namen, aber es handelte sich dabei eher noch um klassische Sorten, wie Weizen oder Bockbiere. Mein nächstes Highlight war der FIFA World Cup 2010, als wir mit Redakteuren vom Spiegel, TV Sendern und deutschen Zeitungen Abends Bier trinken gingen. In den Pubs von Kapstadt haben viele von denen zum ersten Mal Craftbeer getrunken. Die meisten hat es dabei fast aus den Latschen gehauen.

Einige dieser Biere waren von And Union, die in Bayern gebraut und damals noch zu 100% nach Südafrika exportiert wurden. Auf Grund der Wow-Reaktion der Journalisten hatte ich die Idee, dass dies mein Thema werden könnte. In 2011 bin ich dann mit meiner Familie wieder nach Deutschland zurückgekommen. Hier habe ich im Hamburger Schanzenviertel das Braugasthaus „Altes Mädchen“ zusammen mit den Gastro Profis Patrick Rüther und Tim Mälzer aufgebaut. Danach kam eins zum anderen. Aufbau der Micro-Brauerei, Craft Beer Shop, Craft Beer Days, dann Sommelier Ausbildung usw. Ich habe mich komplett in das Thema Bier eingearbeitet, aber nie viel Zeit am Kochtopf verbracht, da für mich von Anfang an klar war, dass das Brauen nicht mein Steckenpferd wird. Das war eine Entscheidung, die ich bewusst getroffen habe. Dafür gibt es ausgebildete Brauer, die jahrelange Erfahrungen haben und es richtig gut können. Als Geschäftsführer musst du tagtäglich viele Entscheidungen treffen und solltest immer wissen, was kann ich besser und was können andere besser.

Wann kam ÜberQuell? 


Patrick Rüther, Tim Mälzer und ich haben im Frühjahr 2016 das Alte Mädchen verlassen. Für Patrick und mich stand fest, dass wir mit vielen frischen Ideen zusammen etwas Neues aufbauen wollen. Nach dem Ausstieg haben wir direkt damit begonnen eine Location zu suchen und uns gefragt, wo wir in Hamburg am liebsten das Projekt aufbauen würden. Auf keinen Fall wollten wir in einer Gewerbehalle vor den Toren der Stadt sitzen und eine Brauanlage bedienen, sondern in einem Stadtteil und Gebäude mit Seele. Wir haben uns für St. Pauli entschieden und dazu noch für ein denkmalgeschütztes Gebäude, was immer mit vielen Herausforderungen verbunden ist. 12 Monate später haben wir nach viel Stress und Mühe dann das ÜberQuell Anfang Juni 2017 eröffnet. Das ging alles recht schnell, aber es hat einfach auch geflutscht. Das Konzept ist ganz einfach: Ein Gebäude mit Geschichte an der Elbe, Gastronomie, Micro-Brauerei, Terrasse und BrewPub. Im ersten Jahr waren wir nur damit beschäftigt alles zu synchronisieren. Ganz wichtig war dabei natürlich der richtige Braumeister. Bereits Monate vor der Eröffnung sind auf Tobias Hess gestoßen. Ein erfahrener Braumeister, der 8 Jahre über den Tellerrand hinaus in Russland, Uganda, Belize und Mexiko gebraut hat und nach Deutschland zurück wollte. So sind wir jetzt etwas über 2 Jahre am Start.

Habt ihr viel machen müssen am Gebäude?

Ja, wir mussten extrem viel umbauen und wollten eine ganz spezielle Pizza haben – die original Pizza Neapolitana. Dazu haben wir Pizzaofenbauer aus Neapel kommen lassen und ließen von ihnen die zwei Öfen mit 8 Tonnen Gewicht jeweils aufbauen. Das alles nur um die Pizza möglichst authentisch, möglichst lecker hinzubekommen. Wir sind also eher die, die es komplizierter machen und die Dinge nicht aus dem Katalog bestellen. So haben wir letztendlich vieles am Gebäude gemacht, das ein normales Franchiseunternehmen niemals so umsetzen würde, aber das macht eben auch ÜberQuell aus. Hier ist halt nichts von der Stange, sondern einzigartig.

Woher kommt eigentlich der Name ÜberQuell?


Der ist erfunden. Wir wollten nichts Englisches, sondern was Deutsches haben mit einem Bezug zum Getränk. Und irgendwann unter der Dusche kam der Name. Witziger weise war der Name überall frei. Man vermutet ja hinter dem Namen eher ein Mineralwasser, als ein Bier, aber der Name war für uns perfekt.
Was ist Eure Challenge mit neuen Projekten wie Raketenbräu?

Was ist Eure Challenge mit neuen Projekten wie Raketenbräu?


Wir wollen mit diesen Projekten neue Gruppen von Leuten ansprechen und tun vieles dafür, dass sie Bier anders sehen und verstehen. Aber das ist gar nicht so einfach und unsere große Challenge. Bier ist eine gelernte Kategorie mit staken Markenbildern und traditionellen Gewohnheiten. Wir müssen noch viel tun, um weitere Konsumenten von handgemachten Bieren zu überzeugen. Daher brauen wir unter anderem das Raketenbräu. Hier darf die Rocketbeans Community selber bestimmen, welche Hopfensorten ins Bier reinkommen. Parallel wird auf den Rocketbeans.tv Plattformen über Bierherstellung, Rohstoffe, Brauer und unsere teilweise unverständlichen und lustigen Gewohnheiten berichtet. Das schafft Aufmerksamkeit, Interesse und hoffentlich weitere Fans. Zusätzlich versuchen wir außerhalb von Craftbeer Festivals neue Konsumenten mit unseren Bieren anzusprechen. Generell ist es eine große Aufgabe für uns in Deutschland aus dem InnerCircle von Craftbeer Nerds herauszukommen. Denn wie bekommen wir einen Konsumenten dazu nicht nur eine Flasche zu kaufen, sondern ihm das Bier so schmackhaft zu machen, dass er es immer haben möchte?

Da du Dich für die Biergeschichte interessierst, was sind denn so Deine Lieblingsthemen?

Ich persönlich interessiere mich immer für Geschichte. Mich interessieren einfach Menschen auf allen Kontinenten. Warum sie so sind, wie sie sind und warum sich Regionen zu dem entwickelt haben, was sie heute sind. Ich habe mal 10 Jahre für das Zigarettenunternehmen Reemtsma gearbeitet, obwohl ich Nichtraucher bin, und es gab bei uns die Entscheidung in die Formel 1 mit West McLaren Mercedes einzusteigen. Das war 1996. Wir sind nach Stuttgart geflogen und ein Manager von Mercedes hat uns vor dem ersten Planungsgespräch abgeholt und nicht mit ins Werk oder Daimler Museum mitgenommen, sondern auf die schwäbische Alb. Dort haben wir zu Mittag gegessen und er erzählte uns über Besonderheiten und Mentalität der Schwaben. Er wollte uns damit vermitteln, wie die Schwaben ticken und wie sich das Schwabenland entwickelt hat. Das war wirklich beeindruckend. Denn so verstanden wir besser, warum sich Stuttgart zu dem entwickelt hat, was es heute ist und auch die Werte von Mercedes.

Danach habe ich mich für Städte, ihre Entwicklung und Geschichte umso mehr interessiert. Eine Stadt ist ja kein Konglomerat von Ziegelsteinen und Glasplatten, sondern es gibt eine DNA, die Menschen über die Jahrhunderte entwickelt haben. Die Seele einer Stadt hat immer eine Geschichte. Berlin war lange Zeit zum Beispiel eine Arbeiter- und Soldatenstadt. Hamburg ist geprägt durch die Elbe, den Handel und wurde um das Jahr 1000 gegründet. Aus einer Siedlung hat sich ein Handelsplatz entwickelt und so ist die Geschichte mit einer Stadt und der Mentalität eben verbunden. Wenn man das mal auf die Region überträgt, ergibt sich eine ganz klar unterschiedliche Esskultur. Du wirst immer in katholisch geprägten Gegenden eine feinere Küche, eine höheres Ansehen an Essens- und Zubereitungskünsten finden, als in evangelisch-protestantischen Gegenden. Wenn jemand zu ins ÜberQuell kommt und sich für Bier interessiert, dann erzähle ich ihm gerne ein wenig von der Hamburger Biergeschichte.

Und wie ist das mit dem Bier? 


Bier ist nicht nur ein industriell hergestelltes Produkt, sondern ist aus der Entwicklung der Städte und der regionalen Kultur heraus gewachsen. Man muss nicht jedem erzählen welcher Hopfen leistungsfähiger und welche Hefe aktiver ist, aber wenn man Menschen zu tun hat und ihrem Interesse für Bier, dann kann man schon mit ein wenig Spannung vermitteln und das Bier etwas Besonderes ist. Deshalb gibt es auch bei uns im Durchgang vom Restaurant ins BrewPub die Geschichte des Bieres aus Hamburg und der Welt auf jeweils 5m langen Zeitachsen. Wie z.B. die Story über das Weizenbier Es war während der Hansezeit der Exportschlager aus Hamburg. Das die Bayern erst sehr viel später mit dem Weizen oder auch Bockbier angefangen ist nur ein Teil der Geschichte. Heute machen die Bayern das beste Marketing und fragst Du einen Ausländer, wo man Bier in Deutschland trinkt, dann ist die Antwort zu 100% Bayern.
Ihr habt doch bei Euch das Werk von Henricus Knaust liegen, hast Du das gelesen? 
Das kann jeder Online lesen, wenn er mit der altdeutschen Schrift klarkommt. Einige Passagen daraus habe ich gelesen, ja. Aber noch viel spannender ist, dass ein Student aus Kiel gerade darüber eine Bachelorarbeit verfasst. In Amerika wird Henricus auch ganz anders gefeiert als hier zu Lande. Es ist schon interessant, dass Henricus Knaust der erste Mensch war, der über 150 verschiedene Biere in 5 Bänden beschrieben hat. Von der Auswahl der Rohstoffen bis zu unterschiedlichen Brauverfahren im Mittelalter. Damals konnte kaum einer Lesen oder Schreiben, aber er hat sich dem Thema gewidmet. Wir haben eines von nur noch 3 weltweiten Büchern bei uns im Mini-Museum.

Überträgst du auch alte Bierrezepte auf Eure modernen Biere?


Seit dem Frühsommer haben wir einen eigenen 220qm großen Dachgarten auf unserem Lagergebäude. Das ist die schönste Fläche vom ÜberQuell mit Blick auf die Elbe und die Werften. Zusammen mit der Ganztagsschule St.Pauli haben wir die Fläche geplant, angelegt und ihn Green Pauli getauft. Die Schule nutzt den Garten für den Schulunterricht und Kräuter und Gemüse für das Schulessen bzw. wir unsere Pizzen. Unser Braumeister experimentiert bereits mit einigen Rohstoffe aus dem Garten, wie z.B. Thymian und Chilli. Die Idee treiben wir weiter und werden in Zukunft hoffentlich weitere Limited Editions mit eigenen Rohstoffen brauen. Der Vorhang ist auf, es kann losgehen mit Kräuterbieren.

Aufbauend darauf, was ist denn eigentlich Eure Philosophie?

Wichtig ist, dass man überhaupt ein Motto besser eine Vision hat, denn das bringt eine Gruppe zusammen. Unseres ist, dass wir mit Menschen, Künstlern und Freestylern, Dinge anders denken möchten und Bestehendes herausfordern. Das bedeutet, dass wir keine Einrichtung kaufen, sondern sie selbst entwerfen und bauen. Gesellschaftlich leben wir in einem Land und haben eine Entwicklung, in der wir mehr und mehr vermainstreamt werden. Es wird alles genormter und es gibt für alles immer mehr Regeln. Irgendwann wirst Du Deine Kinder nur noch mit Helm zur Schule lassen. Es geht immer mehr um politische Korrektheit. Es ist einfacher und bequemer so eine Stadt und Land zu verwalten. Da werden wir uns auch nicht wehren können. Aber möchte ich selbst so leben? Nein. Und mein Partner hier auch nicht. Darum versuchen wir Dinge anders zu machen. Wir selbst sind keine Revoluzzer, aber wir wollen Freunden, Gästen und Menschen aus aller Welt ein tolles Erlebnis liefern und ihnen zeigen, dass man auch eine Pizza und Bier anders machen kann. Wir denken weiter und glauben, dass die Welt mehr Freestyler braucht, mehr Haltung, mehr Engagement und Beteiligung. Das hat viel mit uns und unseren persönlichen Werten zu tun. Es fängt damit an, wie wir mit unserem Nachbarn umgehen. Solange wir aus dem Mainstream ausbrechen und mit anderen Neuland erobern können, sind wir glücklich. Das macht uns aus.

Das klingt toll und wir unterstützen Euch gerne dabei. Vielen lieben Dank Axel für dieses wertvolle und interessante Interview. Macht so weiter mit Euren Bieren, Eurer Philosophie, Eurer Pizza und bis hoffentlich bald.