Bierpersönlichkeiten

 

Dr. Michael Zepf

Bierpersönlichkeiten - Dr. Michael Zepf

Als Geschäftsführer der Genussakademie bei der Fa. Doemens, München-Gräfelfing ist Dr. Michael Zepf u.a. für die Biersommelier-Ausbildung verantwortlich. Als Experte für bayrisches Bier und Repräsentant der Initiative „Weltgenusserbe Bayern“, besitzt hat er ein breitgefächertes und tiefgreifendes Wissen im Themenbereich „Bier“.

Können Sie uns etwas zu Ihrem Werdegang verraten?

Ich wurde 1965 in Garmisch, als Sohn eines Kaminkehrers geboren. Hatte also keinerlei familiäre Brau- oder Bierbranchen-Vorbelastung. Eigentlich wollte ich zunächst wegen meiner Lebensmittel-Leidenschaft Koch werden, jedoch war das Koch-Image in den 70er-Jahren nicht sehr gut. Als ich erfuhr, dass man in Weihenstephan auch Brauwesen studieren kann, war ich sofort Feuer und Flamme. In einem Mittelstandsbetrieb lernte ich zunächst Brauer, mit anschließendem Weihenstephan-Studium. Nach 13 Jahren verließ ich die Uni mit Promotion und Beamtenverhältnis. Danach folgte meine 9 Jährige Tätigkeit als Braumeister und  technischer Leiter in Oberbayern. Seit ca. 10 Jahren gehe ich neue Wege mit Doemens, als Lehrer für Brauereitechnologie und Leiter der Genussakademie. Hier wird das Thema Bier von der Verbraucherseite beleuchtet und der Genuss / die Sensorik in den Vordergrund gestellt. Es ist wirklich spannend zu sehen woher die Aromen kommen und wie alles zusammenhängt.

Wie sieht die Tätigkeit als Geschäftsführer der Genussakademie aus?

Der bekannteste Teil ist die Biersommelier-Ausbildung und custom-made Kurse für Gruppen, wie Schulung für den Gastronomie-Außendienst der Brauereien und der Zulieferindustrie. Immer mehr internationale Biersommelier-Ausbildungen, in 9 verschiedenen Länder auf 4 Kontinenten, kommen hinzu. Mein Tagesablauf besteht u.a. aus dem Team-Management von fünf Kollegen, die intern oder extern die Seminare zusammenstellen bzw. durchführen. Dies wird stets mit regionalen Partnern umgesetzt, da die lokale Sprache sehr wichtig ist. Mit ca. 160.000 km pro Jahr im Flugzeug und zusätzlich 50.000 km im Auto ist meine Reisetätigkeit entsprechend hoch.

Was ist die Mission der Akademie?

Generell soll die Wertigkeit des Bieres dem Verbraucher näher gebracht werden. Ausgangspunkt war die Feststellung, dass generell wenig Bierwissen vorhanden war und Bier weit unter seines Wertes Anerkennung fand. Deshalb entwickelte Doemens 2003 die Biersommelier-Ausbildung. Die Anerkennung hat sich mit der Craftbeer-Entwicklung verbessert, es gibt jedoch noch viel Nachholbedarf und Luft nach oben – gerade im professionellen Bereich. Im Vergleich zum Autoverkauf, wo der Verkäufer mir genau erklären kann warum dieses Automodell das richtige für mich ist, ist dies im professionellen Bierbereich nicht der Fall. Hier läuft leider viel über den Preis, weshalb wir den Genussgedanke im professionellen wie auch im privaten Consumer-Bereich weitervermitteln wollen.

Apropos Genuss. In Bayern wird Bier als Lebensmittel tituliert. Wie sehen Sie das?

Dem stimme ich so nicht zu, da Bier immer ein Genussmittel wie Kaffee oder andere alkoholische Getränke ist. Entsprechend sollte man wertig mit Bier umgehen.

Zurück zur Biersommelier-Ausbildung: Wie sehen die aktuellen Rahmenbedingungen aus?

Die Kosten für einen 2-wöchigen Intensivkurs befinden sich seit ca. 5 Jahren auf einem konstanten Niveau von 2.950,- Euro pro Person. Dies geschieht in kleinen Gruppen mit unterschiedlichen „Bier-Hintergründen“ der Teilnehmer, die aus Brauereien, der Gastronomie, dem Handel oder sogar aus Museumsleitungen kommen. Sehr bereichernd ist hierbei, dass jeder Teilnehmer seine persönlichen Aspekte des Bieres in die Gruppe einbringt. Generell ist die Bestehens-Quote der Biersommelier-Ausbildung sehr hoch und zudem fordern wir eine sehr gute Vernetzung der Biersommeliers.

Neben der klassischen 2-Wochenausbildung gibt es zwei einwöchige Split-Kurse, welche von einer 2-3 monatigen Pause unterbrochen sind. Zudem gibt es die Weiterbildungs-Möglichkeit zum „Bierbotschafter der IHK“, welche eine Woche dauert. Das Programm hierfür wurde von Doemens mitentwickelt und die Prüfung wird von uns abgenommen. Darauf aufbauend gibt es ein einwöchiges Aufbaumodul zum Diplom-Biersommelier. Die Kosten der einzelnen Varianten sind in Summe identisch.

Zepf einzeln

„…mittlerweile sind in Deutschland ca. 2.500 Sommeliers ausgebildet…“

Merken Sie in Ihrer Akademie den Einfluss der Craft Beer Bewegung?

Auf jeden Fall, wir haben dies hautnah miterlebt. Als 2003 die Biersommelier-Ausbildung startete war das Wort „Craft Beer“ noch nicht entdeckt und mittlerweile sind in Deutschland ca. 2.500 Sommeliers ausgebildet, weltweit sogar 4.500. Sicherlich hat die Craft Beer Bewegung dies mitbefeuert, wobei die Sommeliers teils sehr stak in der Craft Beer Szene unterwegs sind. Viele haben diese Bewegung sogar mit angestoßen und letztendlich profitieren alle davon.

Und wo geht aus Ihrer Sicht die Craft Beer Bewegung?

Hier bin ich etwas ernüchtert. In Nordamerika ist seit ca. 4 Jahren der Peak erreicht und es wird versucht dieses Niveau zu halten – mit mehr oder weniger Erfolg. Bei uns sind viele Konsumenten ernüchtert, sei es durch hohe Craft Beer-Preise oder nicht erfüllte Geschmacks-Erwartungen, aber auch durch Unkenntnis der unterschiedlichen Bierstile wie beispielsweise „Double IPA“, etc. Jeder hat mitbekommen was in Berlin geschehen ist. Dies hatten viele schon vor der Eröffnung vorprognostiziert und ob Brewdog dies nun halten kann sehe ich problematisch. Dies ist vielleicht ein Symbol dafür, dass wir in Deutschland an einem Punkt angekommen sind an dem neue Weichen gestellt werden müssen. Viele Brauereien haben sich eventuell zu viel erhofft von der Caft Beer Bewegung.

Wie sehen Sie die Lagerfähigkeit von Craft Bieren und was ist zu beachten?

Das Thema MHD ist ein massives Problem gerade bei hopfenbetonten Bieren. Hier wird dem Verbraucher suggeriert, dass das Bier bis zu diesem Datum in gleichem Zustand ist. Also wie am ersten Tag der Abfüllung und dies stimmt bei weitem nicht. Ein Bier kann innerhalb weniger Tage seine komplette Wertigkeit durch die falsche Lagerung verlieren. Gerade im Sommer sind die ausgelieferten Biere bereits nach einer Woche ihr Geld nicht mehr wert. Deshalb gehört Bier in den Kühlschrank unter Beachtung einer geschlossenen Kühlkette.

Der Aufdruck „kühl und dunkel lagern“ ist hierbei noch nicht verinnerlicht. Dies war vor 40 Jahren beim Verbraucher so, hat sich aber durch die Schuld der Braubranche wieder aus den Köpfen verabschiedet. Das Bier gehört in den kalten Keller, den die meisten allerdings nicht haben, oder man kauft so wenige Bier, dass es im Kühlschrank gelagert werden kann. Speziell filtrierte Lagerbiere, klassische deutsch Biere wie Pils, Helles und Export, sind unglaublich anfällig. Aus meiner Sicht ist ein Pils nach einer Woche zerstört. Die schönen Hopfennoten sind dahin und es entwickelt sich ein süßliches, altbackenes Brotaroma oder sogar Pappdeckel-artige Noten.

Deshalb hat Fassbier einen hohen Stellenwert, wenn es richtig ausgeschenkt wird.

Und gerade hopfenbetonte Craft Biere sind stark anfällig für Oxidation und verlieren sehr schnell. In neu entstandenen Craft Beer Shops ist teilweise wenig Sachverstand vorhanden, da die Biere im Holzregal stehen und nicht optimaler Weise im Kühlschrank gelagert sind.

Mein privater Bierkeller ist mit einer Kühlung temperiert und sommers wie winters auf 12,5 Grad Celsius eingestellt. Bei dieser Temperatur halten die Biere unglaublich gut. Aus meiner Sicht sind 15 Grad die kritische Lagerungs-Obergrenze. Ab 20 Grad und mit jedem Grad mehr herrschen katastrophale Bedingungen. Bei einer kurzeitigen Erhitzung auf 40 Grad kann man von „Pasteurisieren in der Flasche“ sprechen und das merkt man deutlich im Geschmack.

Ist für Sie deshalb die Dose eine alternative Verpackung?

Aus rein qualitativer Sicht ist die Dosen-Abfüllung gut, aber Sie erschlägt nur das Thema Licht und nicht die Temperatur-Thematik. Die Temperatur ist wesentlich höher anzusiedeln als der Lichteinfluss. Solange braune Flaschen eingesetzt werden muss sehr viel Licht einwirken, damit ein negativer Effekt entsteht. Wenn ein Bier allerdings 3 Tage bei 25 Grad steht, merkt jeder den Unterschied. Leider haben bierverkaufende Geschäfte oftmals keine Klimaanlage, im Vergleich zu Lebensmittel- oder Bekleidungs-Geschäften.

Können Sie nochmals Stellung zur MHD-Thematik beziehen?

Kein Braumeister der Welt kann ein Bier produzieren, z.B. ein helles, filtriertes Lagerbier, welches sich nicht über 9 oder 12 Monate im Geschmack verändert. Deshalb ist das MHD eigentlich völlig unseriös, der Gesetzgeber billigt dies aber. Bierstile wie dunkler Doppelbock oder Barley Wine sind etwas robuster  gegen Licht- und Temperatureinflüsse. Auch deshalb sollte Fassbier dem Flaschenbier bevorzugt werden, jedoch sinkt der Fassbieranteil in Deutschland ständig. Somit verbindet der Verbraucher leider immer mehr den Biergeschmack mit dem Geschmack aus der Flasche. Somit geht auch die Geschmacks- und die Preis-Spirale immer weiter nach unten.

Bier kochen

Welche Biere bzw. Bierstile bevorzugen Sie?

Ich bin komplett offen für alles. Je nach Essen und Stimmung kann es ein Pale Ale oder IPA sein, gerne auch Sauerbiere, ein dunkler Doppelbock, ein kleines Glas Barley Wine, oder auch mal ein Stout. Steckenpferd ist für mich allerdings das Helle, das Pils weil ich befürchte, dass diese traditionellen Biere unter die Räder kommen. In der Herstellung sind diese Biere wesentlich schwieriger und aufwändiger wie z.B. ein Pale Ale, was aber normale Verbraucher überhaupt nicht wissen. Gerne trinke ich Biere mit Freunden und meiner Frau. Dann wird schon mal eine Flasche Sauerbier aus dem Keller hochgebracht und wie ein Champagner genossen.

„Je nach Essen und Stimmung kann es ein Pale Ale oder IPA sein, gerne auch Sauerbiere, ein dunkler Doppelbock, ein kleines Glas Barley Wine, oder auch mal ein Stout.“

Sie als Bier- und Weinliebhaber können uns sicherlich Tipps für Hybrid-Biere geben?

Da gibt es ganz phantastische Biere aus Italien, beispielsweise das IGA, Italian Grape Ale. Hiermit kann man tatsächlich Bier- und Weinliebhaber zusammenbringen. Allerdings sind diese IGAs sehr schwierig bei uns zu bekommen. In einem neulich verkosteten IGA-Paket waren Outstanding-Biere dabei – hier haben die Italiener ein wahres Händchen. Aus Österreich kann ich die Schleppe-Brauerei nennen, welche mit ihrem „Duett“ eine seltene Riesling-Melange herstellt.

Welchen Tipp für eine gutes Bier-Tasting hätten Sie für uns?

Das richtige Glas ist unglaublich wichtig, was oftmals unterschätzt wird. Allerdings zerfällt ein Pils beispielsweise in Teku-Pokalen, was eine Katastrophe für diese Biere darstellt. Hier kann ich die Lagerbier-Serie von Spiegelau sehr empfehlen. Auch die speziellen Pale Ale-und IPA-Gläser sind hervorragend geeignet für Bier-Tastings. Spülmaschinen-Taps mit Kugeln darf man beim Spülen von Tasting-Gläsern nie verwenden. Ich „tune“ meine Maschine indem ich den Klarspüler nahezu auf Null stelle – optimal wäre natürlich eine Gläserspülmaschine. Tendenziell trinke ich die Biere lieber etwas kälter als zu warm, was letztendlich jedoch auf den Bierstil ankommt.

Wie halten Sie sich neben dem ganzen kalorienreichen Genuss fit?

Ich fahre sehr viel Rennrad, auch mit relativ großen Touren. Somit kann ich auch hier meine Genuss-Faible ausleben. Vor 4 Jahren bin ich Paris-Brest-Paris gefahren, wobei es in meinem aktuellen Projekt in mehreren Rad-Etappen alleine auf der Seidenstraße nach China geht. Im Juni steht die nächste Etappe von Baku nach Maschhad im Iran an.

Und als Erfrischung ein alkoholfreies Bier?

Das ist ein ganz großer und spannender Trend der letzten Jahre, welcher gerade auch im Craft Beer Bereich stark zugenommen hat. Weil in Deutschland der Biertrinker und die Brauereien auf klassische Bierstile mit Alkohol fixiert waren, wurden alkoholfreie Biere lange Zeit mit „sind ja nur alkoholfreie Biere“ abgetan. Mit neuen Techniken, welche in den letzten Jahren verstärkt zum Einsatz kommen, können heute sehr gute Biere hergestellt werden. Neu sind diese Techniken nicht, sie werden nun aber vermehrt von den Brauereien angewendet. Diese Biere sind hopfengestopft oder mit speziellen Hefen versetzt, welche bereits während der Gärung weniger Alkohol produzieren. Ein sehr gutes Beispiel ist der ehemalige Biersommelier-Weltmeister, Oliver Wesseloh. mit seiner Kreativbrauerei Kehrwieder. Sein Bigseller ist alkoholfrei! Es war eigentlich undenkbar, dass gerade bei einem Craft-Brewer eine alkoholfreie Sorte so erfolgreich sein wird.

Bei Doemens gibt es eine spezielle Hefe, welche keine Maltose/Maltotriose vergärt und zur Herstellung von Alkoholfreien oder Bieren mit wenig Alkohol verwendet wird. Diese Hefe verkaufen wir allerdings nicht im Stamm sondern nur in Projekten. D.h. wir entwickeln zusammen mit den Brauereien die Rezepte und begleiten diese in der Herstellung, da diese  Hefen wesentlich anders gehandhabt werden müssen. Diese Hefe benötigt ca. 14 Tage bis 3 Wochen bis sie durchvergören hat und ist während dieser Zeit sehr anfällig für Infektionen. Auch deshalb geben wir diese Hefe nicht einfach so aus der Hand.

Haben Sie somit Probleme manche Craft-Biere zu verkosten?

Ja, ich weigere mich teilweise Craft-Biere zu verkosten, da viele Craft-Brewer überhaupt nicht wissen welche Substanzen entstehen können, die letztendlich gesundheitsschädlich für den Organismus sind. Wenn Biere beispielsweise nach Liebstöckel riechen. Hierbei sind durch anaerobe Bakterien, wie auch vergleichbar bei der  Weinherstellung, Histamine entstanden und diese können bekanntermaßen Kopfweh-auslösend sein.

Und was steht bei Ihnen als nächstes an?

Jetzt geht es erst einmal nach Korea zum Biersommelier-Kurs, welcher dort 3 bis 4 mal im Jahr stattfindet. Gleichzeitig wird die koreanischen Biersommelier-Meisterschaft durchgeführt. Diese gilt als Vorausscheidung für die im 2-Jahresrythmus stattfindende Weltmeisterschaft, welche als nächstes im September 2019 in Rimini, Italien stattfindet und von mir mitorganisiert wird. Hier gehen 80 Teilnehmer aus 18 Nationen an den Start. Es bleibt also weiterhin sehr spannend.

Besten Dank Hr. Dr. Zepf für das äußerst kurzweilige und spannende Interview. Und der Idee, Ihre favorisierten Bier-Locations in München gemeinsam zu erkunden, kommen wir gerne in Kürze nach!