Das Würze kochen

Das Würze kochen

Kochen ist ein wichtiger Schritt in Richtung gutes Bier. Die Gratwanderung zwischen Zeit und Hopfengabe ist gering und lässt nur wenig Spielraum für Ausrutscher zu. Beim Biersieden, wie man auch im Fachchargon sagt, passieren verschiedene physikalische und chemische Vorgänge. Hier werden die Weichen für das spätere Aroma, den Schaum und die Stabilität des Bieres gestellt. Während das Überschüssige Wasser der Nachgüsse aus der Würze wieder heraus muss, wird sie erst einmal gekocht, um daraus den zurückbleibenden Extrakt für die Hefe zu gewinnen.

Das Austreiben der Aromastoffe nenn der Brauer „Ausstinken“. Beim Kochen werden die leichtflüchtigen und wasserdampflöslichen Aromakomponenten ausgetrieben. Das können Aldehyde, höhere Alkohole, Ketone, Sulfide. Dimethylsulfid (DMS) und Precursors sein. Vor Allem muss das DMS ausgetrieben werden, damit es sich während der Gärung nicht einschaltet und das Bier später nach gedämpften Blumenkohl schmeckt. Für das Austreiben von DMS ist vor Allem die Intensität der Kochung verantwortlich. Der Wasserdampf befördert das DMS aus der Würze heraus, deshalb sollte diese auch ohne Deckel oder mit einem Abzugskamin verkocht werden.

Durch die äußere Oberfläche der Würze kann es auch dazu kommen, dass sich hier viele kleine Mikroorganismen ansammeln, die das Bier, wie im Fall der Lactobakterien, sauer machen können. Während der Kochung wird auch der letzte Rest Mikroorganismen abgetötet. Dennoch bleibt die Würze nie keimfrei. Denn Termobakteriensporen überleben meistens die Prozedur. Während des Kochens inaktiviert sich auch der enzymatische Abbau, da die Hitze zu gross ist um diesen weiter zu gewährleisten.

Aroma und Farbstoffe
Die Kochung fordert sowohl farbaktive als auch aromaaktive Reaktionen. Zum einen wird der Malzzucker karamellisiert und zum Anderen reagiert der Zucker mit sogenannten Maillard Produkten und bringt damit die Farbe in die Würze. Die Maillard Reaktion ist eine nicht enzymatische Bräunungsreaktion, wie sie beim Braten oder Frittieren vorkommen kann. Je nach Sauerstoffkonzentration und Kochsystem nimmt die Würzefarbe etwa um 1-3 EBC-Einheiten (European Brewery Convention) je Stunde zu.

Bei den Aromakomponenten können Alterungscarbonyle eine negative Auswirkung erzeugen, indem sie die Geschmacksstabilität und die Bieralterung deutlich beeinflussen. Dazu verringert die Oxidation der Polyphenole die chemische Reduktionskraft der Würze. Je größer die Reduktionskraft, desto höher der Schutz vor Alterung. Deshalb ist besonders auf den Sauerstoffgehalt während der Kochung zu achten, und darauf diesen möglichst gering zu halten.

Der PH-Wert
Beim Kochen sinkt der PH-Wert der Würze um etwa 0,15 bis 0,25 Einheiten. Zum einen wird das durch die Hopfenbittersäuren erreicht und zum anderen durch die Bildung der saueren Melanoidine während der Maillard Reaktion. Einen großen Einfluss hat auch die Reaktion von Calcium- und Magnesiumionen. Ein niedriger PH-Wert beeinflusst die Bitterstoffausnutzung des Hopfens, Mikroorganismen sind empfindlicher und leichter inaktiv, die Zufärbung der Würze verringert sich, aber die Aufstockung der Eiweiß-Gerbstoff-Komplexe wird verbessert.

Kessel mit Kamin

Sauerstoff im Kochvorgang
Die Reduktionskraft und der Schutz der Würze vor dem Sauerstoff, während des Kochvorgangs, ist immer eine Berg-und Talfahrt. Auf der einen Seite werden Reduktone gebildet, die den Sauerstoff binden können und damit die phenolischen Verbindungen, sowie den Schutz der Bitterstoffe vor Sauerstoffeinflüsse im Bier erhöhen. Auf der anderen Seite verlieren wir aber auch Polyphenole. Wenn man sich die blubbernde Würze genauer anschaut, frägt man sich an dieser Stelle bestimmt, ob eine hohe Sauerstoffaufnahme da nicht vorprogrammiert ist. Dazu kann man sagen, dass die Würze sich praktisch während des Kochens, selber schützt. Die Dampfblasen sind mit Wasser gefüllt und steigen nach oben. Dabei wird die Luft und damit der Sauerstoff verdrängt und es bildet sich eine Schutzschicht aus Wasserdampf an der kochenden Oberfläche.

Bruchbildung
Neben der Umwandlung der Hopfeninhaltsstoffe, wird die Ausscheidung von Protein-Gerbstoff-Komplexen vom Brauer als „Bruch“ bezeichnet. Wird das Eiweiß bei dieser wichtigen Reaktion nicht genug ausgeschieden, dann leidet später die Stabilität des Bieres darunter. Das Eiweiß neigt dazu sich später schuppig abzulagern und eine unangenehme Bittere hervorzurufen – die sogenannte Eiweißbittere. Fällt das Protein nicht aus, kann es später bei der Gärung mit der Hefe zu Verklumpungen kommen, was zu einem Gärstop führt und damit zu einer schlechteren Löslichkeit. Die Bruchbildung verläuft umso schneller je höher die Temperaturen sind. Daher ist eine kontinuierliche Bewegung der Würze während des Kochens wichtig, um die Bildung der Eiweißklumpen zu verhindern.

Durch die lange Kochzeit wird der Bruch mechanisch zerkleinert und es lösen sich teilweise Proteine in der Würze, die die Vollmundigkeit erhöhen. Vergleichbar mit dem Kochen einer guten Brühe, in der sich die Proteine erst nach einiger Zeit lösen und damit das feine Aroma preis geben. Gibt man den Hopfen zur heißen Würze, bildet sich durch die Gerbstoffe am Anfang, ein noch fein verteilter Bruch. Die Eiweißstoffe sind oberflächenaktiv und erniedrigen die Oberflächenspannung, was zum Überkochen der Würze führen kann. Also Vorsicht vor Verbrühungen!

Hopfengabe

Hopfung
Durch die Hopfengabe werden die Lupulindrüsen aufgeschlossen, Hopfenpolyphenole lösen sich und unterstützen die Bruchbildung. Gleichzeitig lösen sich die Hopfenöle und die Hopfenbitterstoffe. Die Iso-Alphasäure wird beim Kochen in eine lösliche Form umgewandelt und sorgt so für das spätere Hopfen-Aroma. Für die Hopfenausbeute ist entscheidend, wieviel Hopfen mit wieviel Alphasäure eingesetzt wird. Die Bitterkeit ist von einige Faktoren abhängig, wie die Art des Hopfens, die Zerkleinerung, die Kochdauer, die Konzentration von Huolonen in der Würze, dem PH-Wert und der Bruchbildung.

Ein weiterer Punkt ist die richtige Balance zwischen Alphasäure und Hopfenölen. Umso länger die Kochzeit, umso wahrscheinlicher ist der Verlust der Hopfenöle und damit des Hopfenaromas. Was beim Kochen so wunderbar nach Hopfen riecht, ist leider schon verschwundenes Aroma. Das Hopfenöl besteht aus Mono- und Sesquiterpenen. Beide sind zunächst nicht löslich und bilden durch ihre Oxidation während des Kochvorgangs, Epoxide und Alkohole, die sich dann in der Würze lösen lassen. Leider werden die Hopfenöle durch den Verdampfungsvorgang auch ausgetrieben. Ob nun mehr lösliche Produkte gebildet oder Ölkomponenten ausgetrieben werden, hängt vom Verteilungsgrad des Öls ab. Bei Hopfenextrakten sind die Öle dem Wasserdampf sofort ausgesetzt, bei Pellets und Doldenhopfen, werden die Öle langsam ausgetrieben und aus den Lupulindrüsen gelöst. Nach 40 Minuten Kochzeit beträgt der Verlust an Sesquinterpenen beim Hopfenextrakt etwa 83% und beim Doldenhopfen und den Pellets etwa nur 50%.

Hopfengaben
Der Zeitpunkt der Hopfengabe und die Dauer, die der Hopfen in der Würze kocht, haben einen großen Einfluss auf den Geschmack des Bieres. Mit ein und demselben Hopfen kann man unterschiedlich starke Geschmäcker hervorrufen. Je länger der Hopfen kocht, desto bitterer ist auch das Ergebnis und desto mehr Aroma bleibt auf der Strecke. Bei kontinentaleuropäischen Bieren kommt oft eine frühe Hopfengabe vor, da die Biere weniger hopfenbetont sind. Bei niedriger Bittere, kann der Hopfen auch in einer Gabe auf einmal gegeben werden. Ideal ist diese Hopfengabe nach Kochbeginn, so ca. nach 5-10 min. Zu diesem Zeitpunkt haben die Gerbstoffe bereits begonnen mit den Proteinen Komplexe zu bilden und diese als Bruch abzuscheiden. Damit werden weniger Gerbstoffe zur Bruchbildung gebraucht und die Bitterstoffausbeute ist weniger stark. Durch die geringe Ausbeute und die dezentere Bittere können auch aromatische Hochalpha-Sorten eingesetzt werden. Möchte man hingegen Biere mit viel Bittereinheiten brauen, sollte man auf einen Hopfen setzten, der nicht zu viel Alphasäure besitzt (Pellets Typ45). Bei sehr großen Mengen an Hopfen kommt noch ein weiteres Thema ins Spiel – das Nitrat, das sowohl für die Hefe als auch für Menschen gesundheitlich problematisch ist.

Geringe Bitter ohne ausgeprägtes Hopfenaroma
Weißbier hat eine geringe Grundbittere und kein hohes Hopfenaroma. Die Hopfengabe bei einem Weißbier erfolgt kurz nach Beginn des Kochens. Dafür kann man einen Aromahopfen verwenden, der später ein wenig die Hopfenblume im Bouquet und Geschmack des Bieres betont. Oder einen einfachen Bitterhopfen, der sich nicht zu stark auf das spätere Aroma auswirkt.

Geringe Bittere und hohes Hopfenaroma
Um eine geringe Bittere mit hohem Hopfenaroma zu erzielen, wird die Hopfengabe während der Kochung aufgeteilt. Der größere Teil der Alphasäure wird als Bitterhopfen mit hohem Alphasäure-Gehalt zum Beginn der Kochung gegeben. Eine zweite Gabe erfolgt mit Aromahopfen etwa zur Mitte der Kochzeit.

Hohe Bittere und geringes Hopfenaroma
Wenn das Bier bitter sein, aber wenig Aroma am Ende aufweisen soll, dann sollte der größte Teil des Hopfens zum Beginn und der kleiner Teil erst in der Mitte der Kochung gegeben werden. Der gesamte Hopfen kocht dann nicht für die ganze Zeit und der Eintrag von Gerbstoffen verringert sich.

Niedrige Bittere und feines Hopfenaroma
Vor Allem helle Lagerbiere haben diese Art der Hopfung. Der Hopfen mit hoher Alphasäure wird direkt zu Beginn des Kochens gegeben. Der Aromahopfen hingegen erst 15 Minuten vor Schluss. Je nach Geschmack kann die Bittere mit einem neutralen Hopfen oder einem Aromahopfen mit mittlerem Alphasäure Gehalt eingestellt werden.

Hohe Bittere und ausgeprägtes Hopfenaroma
Dieses Schema ist klassisch für amerikanisch hopfenbetonte Biere. Die Grundbittere wird durch eine große Hopfengabe kurz vor Kochbeginn eingestellt. Dazu kann ein neutraler Bitterhopfen verwendet werden. Das Grundaroma wird durch die Gabe eines Aromahopfens in der Kochmitte erzeugt. Eine zweite späte Hopfengabe sorgt für das Grundaroma des Hopfens.

Hohe Bittere und sehr starkes Hopfenaroma
Diese Biere sind deutlich bitterer und sehr hopfenbetont. Dazu gibt man kurz nach Beginn der Kochung eine Hochalpha-Hopfensorte hinein. Zwei weitere spätere Hopfengaben, wobei die zweite Hopfengabe auch in den Whirlpool verlegt werden kann, sorgen für einen starken Hopfengeschmack. Es gilt zu bedenken, dass unter 85°C die Alphasäure nicht mehr isomerisiert und die Hopfenöle dennoch oxidieren und in die Lösung gehen.

Hopfenbomben
Eine hohe Bitterkeit spielt vor Allem bei IPAs eine wichtige Rolle. Hier wird bestenfalls nur mit Hochalphasorten gearbeitet. Diese werden zum großen Teil kurz vor Ende der Kochzeit reingegeben. Die erste Gabe erfolgt als Vorderwürzehopfung vor Beginn der eigentlichen Kochung.

Hopfengabe

Das Kochen
Wieviel Energie ist eigentlich zum Kochen nötig? Beim Aufheizen der Würze benötigt man etwa 4,18 Wattsekunden je Gramm Wasser. Also für 20 Liter Würze, die man von 20° auf 100°C bringen möchte, braucht man eine Heizquelle mit 1.862 Watt und benötigt etwa 1h dazu. Eine Heizquelle mit doppelter Leistung braucht nur 30 min. Leider verbraucht das Verdampfen von Wasser aus dem Kochvorgang ebenfalls Energie und so erweitern sich die Wattsekunden schließlich auf insgesamt 2.256.

Fazit
Die Heizquelle sollte richtig dimensioniert sein, denn sonst siedet die Würze nur vor sich hin und kommt nicht richtig in Fahrt. Die Blasenbildung ist unablässlich für das Kochen und treibt die ungewollten Aroma- und Nebenstoffe aus der Würze aus. Daher mit einem Kamin oder oder offen kochen. Ebenso ist darauf zu achten die Würze nicht bis zum Rand zu füllen, da bei der Hopfengabe ein Überkochen droht und das wiederum zu Verbrennungen führen kann. Dem Anbrennen der Würze durch den hohen Zuckergehalt kann man mit ständiger Bewegung Abhilfe verschaffen. Ein dicker gut leitender Topfboden verteilt die Wärme optimal und verhindert ein Anbrennen durch lokale Überhitzung. Beachteten alle Fakten, steh einem guten Bier fast nichts mehr im Wege.

Wer mehr wissen will kann hier nachschauen: Jan Brücklmeier – Bier Brauen