Dinkelacker Brauereiführung
Dinkelacker Brauereiführung
Wir waren zu Besuch bei Dinkelacker und haben dort eine wunderbare Brauereiführung erlebt. Das große Brauereiunternehmen aus unserer Heimat lieferte uns hierbei tolle Eindrücke von der aktuellen Produktion und den historischen Kellern und Gewölben tief unter der Karlshöhe. Diese Atmosphäre, gepaart mit Anekdoten und Geschichten von unserem Brauereiführer lassen sich wahrscheinlich in keinem Internetbeitrag des Unternehmens nachlesen. Aber gehen wir hier mal genauer ins Detail.
Einleitung und Geschichte
Herr Kurz ist ehemaliger Vertriebsberater der Brauerei und nun im Ruhestand, aber seine Liebe zu Dinkelacker brennt ungebrochen stark. Das merkt man sofort, denn eine Führung, die bezahlt ist und eine Führung, die mit Leidenschaft gehalten wird, sind zwei unterschiedliche Führungen. Los ging’s mit ein paar geschichtlichen und betriebswirtschaftlichen Fakten zum Unternehmen.
1861 begann die Geschichte der Familienbrauerei mit Ernst Immanuel Wulle, der die Wulle Brauerei gründete. 1878 legt Robert Leicht in Vaihingen den Grundstein für Schwaben Bräu. 1888 gründete wiederum Carl Dinkelacker seine Brauerei am heutigen Standort der Familienbrauerei und 1903 kam unter David Sanwald die erste Weizenbier-Brauerei in Stuttgart.. In den 1970er und 80er Jahren übernahm Dinkelacker Wulle, Sanwald und die Heilbronner Brauerei Cluss. 1996 schlossen sich die beiden großen Stuttgarter Brauereien Dinkelacker und Schwaben Bräu zusammen. Da 2003 Mehrheitseigner war damals die Spaten Brauerei in München und als diese wiederum von AB InBEV vollständig aufgekauft wurde, war Dinkelacker-Schwaben Bräu auf einmal Teil der großen Bier-Weltmacht. Aufdoktrinierte Bierstile und eine deutliche Kontrolle über das Brauhandwerk veranlassten die Familie dazu, sich 2007 wieder freizukaufen und als private Familienbrauerei weiterzumachen.
Heute hat die Brauerei 250 Mitarbeiter. 40.000 Kisten und Fässer verlassen jeden Tag das Gelände in der Tübinger Straße. Mit dieser Dimension ist sie Dinkelacker die größte Familienbrauerei in Stuttgart. Dinkelacker setzt außerdem auf Zutaten aus der Region, wie Hopfen aus Tettnang, Gerste von der schwäbischen Alb und Brauwasser vom Bodensee.
Die Führung
Nachdem wir etwas mehr über die Geschichte und die Hintergründe von Dinkelacker erfahren haben, klärte uns Herr Kurz noch über die historische Bedeutung einiger Trinksprüche, Sprichwörter und Redewendungen auf. „Bier auf Wein, das lass sein. Wein auf Bier, das rat ich Dir“. Dieses Sprichwort kommt aus einer Zeit, in der Bier noch ein Getränk des einfachen Volkes war. Wein war den Reichen und Aristokraten vorbehalten und zählte deshalb zu den besseren Getränken. Darum hieß es auch bei der Oberschicht „Pass auf, dass du Dein Gesicht wahrst und sozial nicht absteigst“ – also Bier auf Wein, das lass sein.
Weiter ging es mit dem Zusammenhang zwischen betrunken und „blau sein“. Das kommt aus der Welt der Gerber. Die blaue Farbe beim Gerben des Leders kam ursprünglich von der Pflanze Färberwaid. Wenn man diese mit Harnsäure ansetzt, dann wurde die Farbe haltbar und blau. Die Gerber mussten also einiges trinken (in diesem Fall aufgrund der sozialen Stellung Bier), um immer einen Nachschub an Farbe zu haben. Darum sagten die Leute auch „da kommen die Blauen wieder“, wenn die Gerber nach getaner Arbeit durchs Dorf liefen bzw. torkelten.
Die heiligen Hallen
Nach dem ersten Bier ging’s also los in die heiligen Hallen der Brauerei. Wir fingen beim Sudhaus an, wo auch gerade ein neues Bier angesetzt wurde. Natürlich funktioniert hier alles komplett computergesteuert. Das Bier darf sich qualitativ nicht unterscheiden, daher ist eine Automatisierung mit ständiger Kontrolle durch entsprechendes Fachpersonal unumgänglich. Als der Facharbeiter den Jodwert prüft, wurde der Raum kurzzeitig durch eine angenehme Wärme und den wunderbaren Malzgeruch geflutet. Für uns als Homebrewer eine spannende Erfahrung, dass wir im Vergleich mit Dinkelacker doch sehr ähnliche Prozessschritte beim Bierbrauen haben.
Nach dem Sudhaus begaben wir uns zum Wassertank. Dieser umfasst über 90 5 Millionen Liter Brauwasser. Das Wasser muss hier natürlich gebunkert werden. Würde die Brauerei das Wasser immer nur bei Bedarf von der ENBW abrufen, so hätten zum Beispiel die nebenliegenden Wohnungen morgens kein Wasser zur Verfügung. Auf dem Weg zum Wassertank kamen wir am Treberturm vorbei, wo der Treber zur Lagerung für die Landwirtschaft gelagert wird. Weiter ging es in den Keller der Brauerei und zu der Alkoholentzugsstation. Hier wird dem Bier der Alkohol entzogen, damit man im Sommer auch sein alkoholfreies Bier genießen kann. Der restliche Alkohol kommt der Beauty- und Gesundheits-Industrie zu Gute und findet Einsatz im Kampf gegen Viren (Corona ist hier wohl das aktuellste Beispiel).
Über einige Treppen kamen wir zum tiefsten Teil der Führung, den Lagerkellern. Wir wurden dann in einen nicht mehr aktiven Keller geführt, welcher damals mitten in Stuttgart tief in den Berg, die Karlshöhe, gebaut wurde. Um auch im Sommer die notwendig tiefen Temperaturen für die Bierlagerung bei untergärigen Bieren zu halten, wurden im Winter mit Hilfe von Pferdegespannen das Eis aus den umliegenden Seen herausgeschlagen und dieses dann in den Keller gebracht. Diese Aufwände zur Kühlung des Bieres sind in der heutigen Zeit unvorstellbar. Zu guter Letzt gingen wir in den Lagerkeller, wo die 30 Meter hohen Lagertanks ruhen und wir durften uns zur Belohnung der abgeschlossenen Führung ein leckeres Bier selbst zapfen.
Der Abschluss
Zum Abschluss gab es ein tolles Bierdiplom, das wir uns stolz an die Wand gehängt haben, und eine kleine Verkostung von fünf verschiedenen Bieren. Mit dabei war das Sannwald Weizen, das Dinkelacker Privat und CD Pils, sowie das Schwarze von Schwabenbräu und das Cluss Kellerbier. Unser Favorit an diesem Abend war das Cluss Kellerbier. Mit einer Portion Käsespätzle und einer geselligen Runde mit Herrn Kurz und den übrigen Gästen beendeten wir diesen schönen Abend.
Wer Bier mag und die Brauerei kennenlernen möchte, sollte unbedingt an der Dinkelacker Führung teilnehmen. Als Kraftbier0711 empfehlen wir allen Bierinteressierten diese großartige Brauereiführung mit tollen, authentischen Tourguides in einer urgemütlichen Atmosphäre. Danke für die Organisation und das tolle Erlebnis.