Interview mit Ca' del Brado

Interview mit Ca' del Brado

Wir freuen uns, die Jungs von Ca‘ del Brado interviewen zu dürfen. Die Jungs stellen großartige Biere her und sind spezialisiert auf außergewöhnliche Brauverfahren mit wilden Hefen. Die Idee kam eigentlich von der Brassicola-Weinkellerei, bei der sich die Jungs zunächst um das Malz und die Veredelung in Holzfässern kümmerten. Die Entwicklung des Brauhandwerks ist ihr Weg, und ihr Ziel ist es sich zwischen den Grenzen von Wein und Bier zu bewegen. Dabei spielen wilde Hefen die Hauptrolle. Diese kleinen Mikroorganismen sind die ausführenden Kräfte, die für die kreativen Biere verantwortlich sind und letztlich die Brauerei und ihr Handwerk einzigartig unter allen anderen machen.

Wo kommt ihr her und was hat euch zum Brauen gebracht?
Das erste Bier von Ca‘ del Brado kam 2016 auf den Markt. Wir hatten bereits seit etwa 4 Jahren daran gearbeitet. Vor Ca‘ del Brado waren wir Heimbrauer und hatten uns tatkräftig für die Verbreitung der Bierkultur in verschiedenen Italien eingesetzt (als Teil von BrewLab, einer Vereinigung aus Bologna). Das Brado-Team wurde aus einem gemeinsamen Projekt geboren, das leider nie zustande kam. Ein Teil davon war der Kauf einer Brauerei, die fast zufällig in unsere Hände fiel sich am Ende aber als Fehltritt entpuppte. Aber nichts ist so schlecht das es auch was Gutes hat. Heraus kam letztendlich eine Reise, auf die wir uns gemeinsam begaben. Danach entstand die Idee der Brassicola-Weinkellerei, geboren aus unserer Leidenschaft für „Hefe“ und belgische Biere. Vielfältige Gärungsumgebungen (einschließlich der Herangehensweise natürlicher Winzer) trieben uns zu den Forschungsarbeiten an. Traditionelles Brauen mit innovativem Impuls sozusagen. Es folgte eine lange Phase des Experimentierens, das Studium von wilden Hefen, mikrobiellen Blüten, Fermentationsumgebungen im Allgemeinen und ihren Verfeinerungen. Bis heute haben wir einige Erfahrungen sammeln dürfen.

Wie seid ihr auf den Namen gekommen und was bedeutet er?
Unser Name, Ca‘ del Brado, spiegelt in sich selbst die Merkmale der Brauerei wieder und ist ein Manifest unserer Absichten.

Der Begriff „CA“ ist mit dem Gebiet verbunden in dem wir leben. Die Heimat einer vielfältigen Flora von Hefen und Bakterien, dem Rohstoff (die Würze) unserer Biere, mit ihrem einzigartigen und unverwechselbaren Charakter.

BRADO hat zwei verschiedene Bedeutungen, und ist bewusst auch so gewählt:
Bradùs, aus der griechischen Etymologie, bedeutet langsam, denn unsere Produkte reifen mit der Zeit (in einigen Fällen sogar über mehrere Jahre) und befinden sich daher in den längsten Produktionszyklen der Brauwelt. Sie erreichen quasi den Brado-Zustand durch die im Wald lebenden wilden Hefen und die bakteriellen/fermentativen Blumen, die wir verwenden. Es ist spannend immer einen freien und irgendwie nicht vollständig kontrollierbaren Teil beim Bierbrauen zu haben, genauso wie die natürlichen Prozesse, die man aus der Natur kennt.

Yeasts are the new hops. Was wollt ihr mit eurem Motto aussagen?
„Hefen sind der neue Hopfen“ ist ein Slogan, den wir uns ein wenig provokativ auf die Fahne geschrieben haben. Eigentlich lieben wir als leidenschaftliche Biertrinker den Hopfen und die auf ihm basierenden Bierstile. Aber wir glauben, dass wir nach der großen Welle spektakulärer Biere, die auf dem Aroma des Hopfens und seiner massiven Dosierung beruhen, zu einem Bier zurückkehren müssen, bei dem wir die Nuancen, die Leichtigkeit des Trinkens und die ganze Komplexität mehr zu schätzen lernen.
Was wir im Allgemeinen als Bier bezeichnen und was nicht, hängt von der Gesetzgebung jedes einzelnen Landes ab (ist jedoch im Laufe der Zeit veränderbar). Im Hinblick auf den Biersektor gibt es erhebliche Unterschiede in der gesamten europäischen Sichtweise. Im Wesentlichen handelt es sich bei Bier, um ein fermentiertes Malzgetränk. Dafür verantwortlich sind die Saccharomyces (Hefen) und die Gärung. Aus historischer Sicht sind fermentierte Getränke immer schon als Bier bezeichnet worden.

Woher kommen die Ideen für Ihre Biere?
Wir gehen immer erst von einer von uns aufgestellten Theorie aus und fragen uns welche Eigenschaften ein bestimmtes Bier haben soll, in Bezug auf Trockenheit, Trinkbarkeit, Aroma- und Geschmacksprofil, Säuregehalt, Körper, usw. Dann vergleichen wir unsere Vorstellungen miteinander, bis wir eine gemeinsame Vision daraus entwickelt haben. An diesem Punkt beginnen wir mit der Planung, der Menge des Malzes, des Rezeptes, des Gärprozesses, der Art der Fässer, des richtigen Zeitpunkts und der möglichen Zugabe von speziellen Zutaten (Trauben, Früchte, Gewürze usw.).
Mit diesem Produkt gehen wir in den Gärkeller und nehmen laufend Anpassungen vor. Das Wichtigste ist die Zeit, die das Bier braucht im Auge zu behalten. Es ist das Bier, dass uns sagt, wann es soweit ist. Danach bauen wir um das Bier herum eine eigene Welt, die mit der Wahl des Etiketts beginnt und schließlich in sowas, wie einer eigenen Poesie endet.

Was sind die größten Herausforderungen, denen ihr euch bisher stellen musstet? Mit der Hefe und Gärung kann ja vieles schief gehen.

Die Verwendung von Holzfässern fügt den Bieren eine unbekannte Variable hinzu – einige Variablen davon sind schwer zu kontrollieren – und erfordern daher ständige Verkostung und Aufmerksamkeit, um nicht die Komplexität und den richtigen Geschmack zu verpassen, die wir den verschiedenen Bieren durch die Bakterienflora verleihen wollen. Wir haben darüber hinaus auch die selben Herausforderungen mit Oxidation, Essigsäuregärung, wie die die anderen „hoch reinen“ Brauereien.

Neben diesen Herausforderungen gibt es einige neuen Hindernisse bei unseren Bierneuheiten, wie zum Beispiel das Projekt Piè Veloce. Dieses Bier, wird ausschließlich mit Brettanomyces fermentiert und ist daher sehr weich im Geschmack. Wir wussten, dass es Zeit und Mühe kosten würde, diese Biere auf dem italienischen Markt einzuführen. Was sich in Amerika in der Bierszene schon etabliert hat, muss in Italien nicht unbedingt angenommen werden. Nach mehreren Jahren Arbeit hat es sich aber gelohnt an die Idee zu glauben und daran festzuhalten. Heute sind genau diese Produkte, verantwortlich dafür, dass wir uns auf dem Markt behaupten können. Und sie haben in der italienischen Bierwelt die Wertschätzung für saure Bierstile weitergebracht.

Was macht der Craft Beer Hype in Italien? Gibt es diesen überhaupt und seid ihr Teil davon oder geht ihr euch eher als die Außenseiter?
Den Craft Beer Hype gibt es natürlich auch in Italien und manchmal wird er durch den europäischen/internationalen Hype beeinflusst (Bewerter, Blogger, Sammler oder andere Bierspezialisten). Das ist die Welt des Bieres und ich denke, jeder ist sich dessen bewusst. Wir sind sehr zufrieden dem Status als Nicht Mainstream Brauer. Uns geht es nicht um Modeerscheinungen oder Neuheiten. Es geht eher um neue Idee von Bier und um die Suche nach der höchsten Qualität des Bieres mit den Eigenschaften Ausgewogenheit, Tiefe und Eleganz.

Was denkt ihr über Nachhaltigkeit und wie lebt ihr sie?
Wir schenken dem Thema viel Beachtung und handeln dabei schon mit Mülltrennung und Minimierung des Plastikabfalls.

Was kommt als Nächstes?
Wir haben gerade ein MEMBERSHIP-Programm auf europäischer Ebene gestartet (Zirqual – „take care of the wild things“). Dies ist ein Projekt, an das wir sehr glauben, weil wir an das Konzept der Gemeinschaft und seiner Werte glauben (Diskussion, Nähe, Austausch).

Apropos Bier-News, wir haben gerade eine limitierte Auflage der Wild IGA in Zusammenarbeit mit einem slowenischen Naturwinzer herausgebracht.

Im Herbst wollen wir zudem mit einigen neuen Bieren, langer Kellerreifung, dem Spiel mit der Komplexität der Malzsorten und unseren ersten Verfeinerungen in Fässern mit Spirituosen oder Likören anfangen. Das geht in Richtung OLD ALEs.