Interview mit Yuri Hegge von Foeders Amsterdam

Interview mit Yuri Hegge von Foeders Amsterdam

Yuri Hegge, Gründer von Foeders Online und Het Lagerhuys, wurde von Good Beer Hunting zur Beer Person of the Year 2020 gekürt. Grund genug für uns, Yuri einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Yuri kommt ursprünglich aus Hamont-Achel, Belgien, und entdeckte seine Liebe zum Bier schon in frühen Jahren. 2017 eröffnete er Foeders, eine Bierbar für außergewöhnliche Biere, in Amsterdam. Im Jahr 2020 folgte er direkt mit Het Lagerhaus, einem Pub mit tollen Bieren und leckerem Essen . Mittlerweile ist er eine der bekanntesten Bier-Personen in der niederländischen Szene und nicht mehr daraus wegzudenken. Wir sind neugierig, was ihn dazu bewegt hat in Amsterdam seine Bestimmung zu finden.

Yuri, wie bist du aufgewachsen? Hast du in Achel auch viel Trappistenbier getrunken oder bist du eher den belgischen Lambics zugeneigt?

Meine Eltern hatten eine typische „Stammkneipe“, als ich jung war. Ich bin also schon mit Pils aufgewachsen. Erst später, als ich etwa 16-18 Jahre alt war, wuchs mein Interesse an weiteren Geschmacksrichtungen. Bei meinem ersten Job im F&B-Bereich gab es mehr regionale und spezielle Biere. Im Jahr 2007 eröffnete ich meine erste Bar, Het Trefhuysch in Lommel, Belgien. Es war eine Bierkneipe mit lokalem Barcharakter. 350 Biersorten hatte ich auf der Karte, darunter viele wechselnde Biere. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem Bier im Mittelpunkt steht, und wo die Leute nicht darauf fokussiert sind, sich zu betrinken. Ich wollte ein „Kneipengefühl“ mit einem Publikum, das offen ist, Aromen und Geschichten zu entdecken, anstatt nur zu saufen. Natürlich war mein Heimatbier damals Teil des Sortiments. Das Pub gab mir eine Bühne, um mit allen Geschmacksrichtungen zu arbeiten. So begann ich auch mit Lambics auszuschenken, was damals ziemlich schwierig war, denn die Leute waren damals nicht sehr offen für diesen Stil.

 

Wie bist Du zum Bier gekommen? Was macht ein belgischer Bierliebhaber denn überhaupt in Amsterdam, wo es in Belgien so tolle Biere gibt?

Bevor ich meine Kneipe eröffnete, habe ich jahrelang Vollzeit in einem großen Restaurant gearbeitet. Die Mehrheit der Leute trank Wein. Auch wenn sie kein Essen bestellten. Das habe ich nie verstanden, denn meine Liebe und mein Interesse für Biere wuchs parallel an. Und meiner Meinung nach hat Bier so viel zu bieten, auf dem gleichen Niveau wie Wein. Als ich meine Bar eröffnete, konnte ich mit meinen Ideen voll durchstarten.

Im Jahr 2014 zog ich nach Amsterdam. Ich wurde Manager des Delirium Cafe Amsterdam. Es mag seltsam klingen, da der Job ja echt genial ist. Aber ich entschied mich kurze Zeit später dagegen und für de Arbeit mit meinen Lieblingsbrauereien. In Lommel waren die Leute nicht leicht zu überzeugen, etwas mehr für ein unbekanntes Bier aus einer kleinen Brauerei, mit einem ungewöhnlichen Geschmack zu bezahlen. Damals hatte ich die Möglichkeit, nach London, Amsterdam und New York zu ziehen. Ich entschied mich für Amsterdam, und blieb dort. Zuerst hatte ich die Idee, 1 Jahr in Amsterdam zu bleiben und zu sehen, was passiert. Heute fühlt sich Amsterdam für ich wie ein Zuhause an und ich bin hier sehr glücklich mit Foeders, Het Lagerhuys und meinem Webshop. Übrigen arbeite ich gerade noch an einem Biershop hier vor Ort.

Was ist das Konzept hinter Foeders? Wir wissen, dass du eine gute Verbindung zu Raf Soef von Bokke und weitere Kontakte in die Lambic Szene hast. Aber was macht Foeders einzigartig?

2017 habe ich Foeders wegen meiner Liebe zu Lambics gegründet. Seitdem ich Moeder Lambic in Brüssel besucht habe, waren die Lambic Biere, wie eine Inspiration für mich. Und als ich in die Niederlande zog, fand ich es schwierig, eine Bar mit einer richtigen Lambic- und Wild Ale-Karte zu finden. Also beschloss ich, es selbst zu machen. Buchstäblich jeder riet mir von meiner Idee ab! Niemand glaubte daran. Meine Kollegen, meine Bierpartner, sowie Distributoren, die neuen Freunde, die ich in den Niederlanden gefunden habe. Sie alle sagten: Holländer mögen keine sauren Biere. Du wirst gezwungen sein, dein Geschäft innerhalb von 6 Monaten einzustellen, versuchten sie vorauszusagen… Der Standort von Foeders war auch nicht gerade das, was man sich unter einer gutgelegenen Bar vorstellen kann.

Ihr müsst wissen, ich bin ein wenig stur. Also entschied ich mich, meinen Traum und meine Leidenschaft weiter zu verfolgen und die erste Lambic-Bar in den Niederlanden aufzumachen. Heute betrachte ich es als die beste Entscheidung, die ich in meinem Leben getroffen habe.
Das Konzept von Foeders drückt meine Leidenschaft für Lambics und Wild Ales aus, erzählt die Geschichten der Brauereien, an die wir glauben und die wir unterstützen, in Kombination mit einem ‚Local Bar Feel‘ als Hommage an meine Eltern. Es ist toll zu sehen, wie sich diese beiden Welten bei Foeders vereinen. Stammgäste, die in ihrem ganzen Leben nur Pils getrunken haben, sind verblüfft, wenn sie sehen, dass Leute eine ‚teure‘ Flasche von Bokke, Antidoot, 3 Fonteinen oder Cantillon bestellen. Und die Lambic Aficionados freuen sich über diese Stammgäste, weil sie Foeders zu einem Ort machen, an dem man sich sofort wie zu Hause fühlt – Einfach unaufdringlich. Jeder ist willkommen, kein Snobismus, einfach nebeneinander sitzen und neue Leute kennenlernen. Eines haben sie alle gemeinsam: Sie gehen gerne in die Bar! Und genau das ist mein Job. Gastfreundschaft und Menschen zusammenbringen.

Natürlich haben wir unsere eigenen Standards. Zum Beispiel arbeiten wir nicht mit Gypsy Brauereien zusammen, weil wir Brauer unterstützen wollen, die in eine Brauerei und Personal investieren und damit ein weitaus höheres Risiko eingehen. Ich besuche alle Brauereien, mit denen ich zusammenarbeite, und möchte die Geschichte hinter der Brauerei kennenlernen, bevor ich mich dazu entscheide , sie in mein Programm aufzunehmen. Und natürlich probiere ich alle ihre Biere. So kommen die besten Geschichten und die am besten gebrauten Biere auf meine Zapf- und Flaschenliste.

Was sind deine Pläne für Het Lagerhaus? Worauf zielst Du damit ab und und warum braucht es überhaupt noch eine zweite Instanz?

Het Lagerhuys ist eine Erweiterung zu Foeders. In erster Linie ist es keine Bar, sondern ein Gastropub. Wir servieren hier Essen. Ich lebe jetzt seit 7 Jahren in Amsterdam. Und wenn ich ein schönes Mittag- oder Abendessen haben möchte, weiß ich nicht, wohin ich in Amsterdam gehen soll. Ich bewundere die Bar Alt wirklich für ihr Bier- und Fine-Dining-Konzept, aber ich bin kein Mensch, der sehr oft teuer Essen geht. Andere Lokale haben eine spontane Küche und eine nette Bierauswahl. Ich habe dort immer etwas vermisst, und so habe ich bei Het Lagerhuys viel Spaß daran, meine neuen Ideen umzusetzen, die im Großen und Ganzen nicht zu Foeders passen. Foeders und Het Lagerhuys sind eine tolle Kombination, die man bei einem Besuch in Amsterdam unbedingt wahrnehmen sollte. 2 unterschiedliche Erfahrungen, mit einer ähnlichen Philosophie. Ganz vorne – Leidenschaft für unterschiedliche Aromen. Mein Ziel ist es, so unauffällig wie Foeders zu sein und großartiges Essen, großartige Biere und erstaunliche Bier-Pairing-Events anzubieten. Wir bringen die Geschichten der Biere durch die Brauerbesuche in unser Gastropub und vereinen sie mit großartigem Essen.

Was macht für dich ein gutes Bier aus, so dass du es direkt deinem Laden und Deiner Bar aufnehmen würdest? Welche Kriterien und Ansprüche hast du an Bier im Allgemeinen?

Für Foeders und Het Lagerhuys arbeiten wir, wie bereits erwähnt, nicht mit Gypsy Brauern zusammen. Ich besuche jede Brauerei und höre mir die langen Geschichten der Brauereien an. Was sind ihre Ambitionen, wie wählen sie ihre Rohstoffe aus, usw. Wenn sie eine positive Ergänzung zu meiner bereits bestehenden Auswahl an Brauereien sind, nehme ich Kontakt auf und versuche, eine nachhaltige Beziehung zu ihnen aufzubauen. Sobald wir ein Bier ausschenken, versuchen wir, dies langfristig zu tun, um diese Brauerei auch zu unterstützen. Die Brauereien bestimmen auch unser wahres ‚Gesicht‘. Manchmal schlägt eine Brauerei eine andere Richtung ein (z.B. sie verkaufen ihre Brauerei, oder sie gehen voll auf Supermarktniveau…), das sind Kritikpunkte, an denen wir aufhören, sie bei uns auszuschenken. An ihrer Stelle schenken wir dann andere Brauereien aus, die ein Publikum verdienen, das die Biere zu schätzen weiss. Ich liebe Brauereien, die an ihrer Geschichte festhalten, ohne Abstriche zu machen. Ich habe eine große Liebe für Sturköpfe, so wie mich. Ich mag keine Brauereien, die auf das ‚leichte‘ Geld aus sind oder sich selbst verkaufen.

Wie siehst Du den Markt für außergewöhnliche Biere in den Niederlanden, Belgien, Deutschland und den USA? Was sind die Unterschiede?

Belgien und Deutschland sind traditionelle Biermärkte. Die Biertrinker dort sind auch traditioneller in der Einstellung zu Bierstilen. IPAs zum Beispiel haben es in Belgien und Deutschland, anders als im restlichen Europa, schwer, geschätzt zu werden. Die USA haben die Bierwelt aufgerüttelt. Sie investierten in europäische Brauereien, brachten sie in die USA und bauten sie von dort aus auf. Heute sind sie die führende Kraft auf dem internationalen Biermarkt. Die Niederlande kann man´ als Nachahmer-Bierland betrachten. Was in den USA passiert, wird in den Niederlanden oft durch die „jüngeren“ Brauereien nachgeahmt. Die Brauereien vor 2010 sind mehr auf belgische und deutsche Biere fokussiert. Es gibt keine große niederländische Biertradition mehr. Das gibt den Bieren eine interessante Note, denn sie sind dadurch sehr experimentell. Es gibt keine Grenzen mehr, weil es kein Erbe gibt, gegen das man ankämpfen muss, wie es in Belgien und Deutschland der Fall ist.

Tauschst Du auch Biere und haben du dafür spezielle Lieblinge? Wo kann man traden und wie geht man das am besten an?

Ich bin kein Fan vom Traden. Der sogenannte 2nd market ist sogar eine große Belastung für mich. Bei Foeders schenke ich nur eine Flasche aus, die wir öffnen, so dass es keine Chance gibt, sie für den Handel oder Weiterverkauf anzubieten. Ich sehe, wie die Leute mit den Bieren von Bokke, Antidoot, Bofkont, Cantillon umgehen. Das macht mich wirklich traurig. Ich weigere mich, da mitzumachen. Deshalb schätze ich unsere internationale Anhängerschaft bei Foeders und Het Lagerhuys sehr. Sie nehmen sich die Zeit, nach Amsterdam zu fliegen. Ich sehe das nicht als etwas Selbstverständliches oder Normales an, sondern es ehrt die Biere und mich.

Hast du beondere Biere, die du zu besonderen Anlässen oder auch im Alltag verwenden? Wenn ja, welche und warum diese?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt so viele tolle Biere und Menschen dahinter, aus denen man wählen könnte. Ich habe eine tolle Verbindung zu Raf von Bokke. Nicht nur die Qualität seiner Biere, die Philosophie seines Ansatzes, sein handwerkliches Können, sondern auch der Mensch, der er ist, macht Bokke zu einer der wertvollsten Brauereien. Ich wage zu behaupten, dass wir ohne Bokke diese Corona-Zeit nicht überlebt hätten. Als tägliches Bier wende ich mich immer an die Brasserie de la Senne. Taras Boulba und Zinnebir sind fenomenal! Aber dem ehr ich mich im Detail verliere, desto mehr verpasse ich ie vielen anderen epischen Biere und Brauereien… Das macht mir bewusst, wie toll mein Job ist.

Wie gehst du mit der aktuellen Situation um? Welche Pläne schmiedest du in COVID-Zeiten, um die Situation angenehmer zu gestalten?

Ich weiß nicht, wie man es angenehm machen kann. Denn mein Job ist es, Menschen zusammenzubringen, was seit mehr als einem Jahr nicht mehr erlaubt ist.
Wegen der Covid-Situation habe ich meinen Webshop Foeders Online gestartet, und den wollen wir um einen Biershop vor Ort erweitern. Im vergangenen Jahr haben wir viele Kellerverkäufe von Foeders aus gemacht. Leute aus der ganzen Welt haben uns dabei unterstützt. Das macht mich so bescheiden und dankbar. Der letzte ‚Bokke‘-Verkauf war ein wirklich großer Erfolg. Dadurch haben wir sogar soviel Geld eingenommen, das wir einen Teil in Foeders reinvestieren können. Wir streichen die Wände, haben ein paar neue Stühle gekauft und installieren neue Handhebel. Neue Handghebel an den Türen, sind schon seit mehr als 10 Jahren mein Traum. Das wird Foeders meiner Meinung nach zu einem noch hochwertigeren Lokal machen. Ich freue mich darauf, unseren Gästen dieses zusätzliche Erlebnis bieten zu können, wenn wir wieder öffnen.

Was steht als nächstes an? Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Ich nehme gerade jeden Tag und jede Minute so wie sie kommt. Ich mache nie Pläne für die Zukunft. Wenn es sich richtig anfühlt, mache ich es und fange am nächsten Tag gleich damit an. Als ich nach Amsterdam zog, hätte ich nie gedacht, dass ich heute noch hier leben würde, ich hatte nie vor, ein zweites Lokal zu eröffnen, als ich Foeders eröffnete. Nun, das Leben geht manchmal mysteriöse Wege. Der Beer Shop ist ein nächster Schritt, wie ich bereits erwähnt habe. Ich möchte einfach die Reise fortsetzen, die ich begonnen habe. Erstaunliche Brauer mit einer Leidenschaft für ihre Biere zu treffen und ihren Geschichten anzuhören, leidenschaftliche Bierliebhaber zu treffen und zu hören, was in ihrem Leben passiert. Diese 2 Welten zusammenzubringen in Foeders und Het Lagerhuys ist meine Bestimmung.