Katrin und Kai von Untraveled Road
Katrin und Kai von Untraveled Road
Wir hatten die Ehre uns am Craft Bier Festival Karlsruhe 2019 mal ausführlicher mit den Nanobrauern von Untraveled Road zu unterhalten.
Vielfalt, Neugier, Abwechslung und Genuss, das sind die Themen die die beiden aus Weingarten anstreben mit ihren handwerklich hergestellten Bieren. Aromenvielfalt trifft auf Kreativität, dabei kann ja nur was Gutes rauskommen. Der kompromisslose Wille zur Abwechslung treibt sie zwar hin und wieder an den Rand der Möglichkeiten, aber durch den forschen Erfindergeist entstehen wahre Schätze. Als Brauerei Start-Up mit Gypsy Produktionen in Heidelberg, sind sie gestartet und nun auf dem Vormarsch in Süddeutschland. Wir haben einige Fragen an sie gehabt.
Woher kommt ihr? Was ist Euer Hintergund? Wo braut ihr ein?
Wir kommen aus Nordrhein-Westfalen und sind vor vierzehn Jahren aus beruflichen und privaten Gründen freiwllig in die Fremde gezogen, wo man kein Hochdeutsch spricht. Wir hatten bis vor ca. 3 Jahren eigentlich kaum etwas mit Bierbrauen zu tun. Das Interesse an neuen Biersorten kam ursprünglich durch Reisen nach Kanada und die USA, oder auch nach Island, wo man auf einmal vor spannenden, abwechslungsreichen Bierregalen mit endlos viel Auswahl stand und nirgendwo stand Pils, Bock, Zwickel oder Kellerbier drauf. Alles neu und aufregend, bei unserem ersten Besuch in Vancouver in 2009 auch durchaus erstmal ungewohnt seltsame Aromen und Geschmäcker, aber wir haben sie lieben gelernt. Also haben wir angefangen, diese Bier selbst nachzubauen, hier gabs ja nicht wirklich was in der Art. Wir haben dann angefangen, solche hopfenbetonte Biere in kleinsten Mengen auf dem Herd in der Küche nachzubauen. Das war schnell frustrierend: keine reproduzierbaren Ergebnisse, wahnsinnig hoher Zeiteinsatz für wenig Outcome. Also musste ein Speidel her. Da gings dann schon viel besser. Wir fanden unsere Ergebnisse sehr lecker – und vor allem unsere Freunde auch! Und da das Feedback so gut war, wollten wir mal im größeren Stil brauen und sehen, ob wir nicht Gleichgesinnte finden und den Markt ein wenig aufmischen können. Und bei CraftCell in Heidelberg ging’s dann los!
Wie groß ist Euer Team? Wer ist alles dabei und wie sind die Aufgaben verteilt?
Wir sind zu zweit, gebraut wird alles zusammen. Da wir beide auch noch berufstätig sind, teilen wir den Rest so, wie es gerade zeitlich geht. Rezepte macht überwiegend Kai, aber in enger Abstimmung, auch um Bestellungen kümmert er sich. Katrin macht Steuer und Zoll, viel Kommunikation, Vertrieb und Auslieferung. Ideen für Etitketten werden gemeinsam überlegt und mit den Grafikern besprochen, die wir beauftragen. Wir teilen uns soviel wir möglich, aber wenn jemand keine Zeit hat, macht es halt der andere.
Wie entsteht ein neues Bier bei Euch? Welchen Prozess durchläuft es?
Ein neues Bier entsteht meistens aus der Neugier … weil man selbst wieder Lust auf was Neues hat: eine neue Hopfensorte entdeckt, mal ne andere Malzkombination probieren oder spannende Hefen testen. Wir lassen uns da hauptsächlich vom eigenen Interesse leiten und schauen nicht so sehr, was der Markt wohl will. Der Entstehungsprozess ist auch denkbar unkompliziert: Es wird viel am Rezept rumüberlegt, und wenn das stimmig erscheint, dann wird gebraut. Egal ob größere oder kleine Menge. Wir machen nicht x Kleinsude, bis wir dann eine größere Menge machen und die anbieten. Bisher lief das sehr gut.
Wie seid ihr auf den Namen Untraveled Road gekommen?
Gestartet haben wir als Anarchy Hopsters und das ist wirklich eine tragische Geschichte: Wir hatten den Namen und hatten mit unseren Grafikern ein wirklich cooles Logo entworfen, tatsächlich auch in der DPMA-Datenbank geforscht, ob wir keine Rechte anderer verletzen. Dann haben wir T-Shirts und Aufkleber bestellt, und als wir das Logo dann auf unseren Flaschen in den Bierpunkt in Karlsruhe getragen haben, wies uns Kilian darauf hin, dass die Hopfengranate auf unserem Logo doch sehr der von Crew Republic ähnelt. Kilian hatte recht und eine kurze Recherche ergab, dass Crew Republic eine Bildmarke für die Hopfengranate besitzt, die als solche bei unserer Textrecherche nicht aufgepoppt war. Also mussten wir alles wieder überdenken und neu anfangen, denn ohne die Granate kam uns unser Logo falsch vor, also musste es ganz was neues sein. Das hat uns fast ein Vierteljahr gekostet, bis wir uns wieder auf was einigen konnten und das hat echt frustriert. In der heutigen Zeit findet man immer jemanden, der schon die gleiche Idee hatte, wie man selbst, wenn auch auf der anderen Seite der Welt, da wird es schwierig, einzigartig zu sein.
Unser Name soll eine Metapher für die viele Möglichkeiten sein, die man eben dort findet, wo nicht alle anderen auch schon waren. Der Typ aus unserem Logo, der grad mit gereckter Faust losläuft ist, dem Rebel/Underdog „Bender“ aus dem Film „The Breakfast-Club“ nachempfunden, einer der coolsten Filme unserer Jugend. Außerdem haben wir in unserem Sommerurlaub 2017 das Lied „Untraveled Road“ von der kanadischen Band „Thousand Foot Krutch“ gehört. Das hat gut zusammengepasst und ist genau das, wofür wir stehen wollen. Spannende Dinge machen, Mut auch mal was anderes zu probieren – auch, wenn es dann natürlich polarisieren kann und nicht jedem schmeckt. Aber so ist das eben, wenn man vom Standard abweicht. Allerdings ist der englische Name in Deutschland auch nicht ganz einfach, besonders die älteren Leute wissen nicht, was das heißen soll. Aber wir kommen eher aus der amerikanisch/kanadisch inspirierten Seite der Craftbier-Szene, da konnten wir uns einfach keine Namens-Kombination mit Bräu oder unserem Namen vorstellen.
Was für Erfahrungen habt ihr gemacht? Also was lief wirklich überraschend gut und was voll daneben?
Wir haben bisher eigentlich überwiegend sehr gute Erfahrungen gemacht, jedenfalls immer, wenn wir mit Menschen zu tun hatten. Manchmal laufen die Sachen wirklich gut ineinander oder es ergeben sich Symbiosen, man trifft einfach die richtigen Leute oder bekommt überraschende Anfragen. Die Craftbeer Szene ist total nett, man ist hier weniger in Konkurrenz unterwegs, sondern unterstützt sich auch gegenseitig, das ist cool. Im November waren wir auf der Craftbeer Messe in Mainz, das erste mal mit eigenem Stand. Super spannend, direkter Kontakt zu den Menschen, die unser Bier trinken! Das Feedback war toll, es gab zum Beispiel einen, der ist drei mal bei uns vorbei gekommen um unser Endless Vacation zu trinken und fand es das beste Bier der Messe. Geschmack ist natürlich immer subjektiv, aber das hat uns super gefreut.
Und dann denkt man andererseits im Größenwahn, man könnte vielleicht einfach nebenher noch was machen und zum Beispiel Geschenksets mit Bier und Gläsern über Deutschlands größten Marktplatz verkaufen und schickt ne Menge Pakete zu denen ins Lager in der Hoffnung, dass man den Megaseller landet … und stellt dann fest, dass es da kaum Nachfrage gibt. Also hat man nur laufende Kosten dort, die einem auf Dauer echt weh tun und man muss die Ware wieder zurückholen. Das war bisher der größte Flop. Dabei sind wir echt stolz auf das Karton-Design und das Gesamtproduk, aber der Markt war wohl nicht reif dafür! Daraus haben wir auf jeden Fall gelernt. Ansonsten ist die Lagerung der Biere schwierig. Wir haben letztes Jahr mitten im Sommer ein NEIPA gemacht. Wenn das dann bei so einem Sommer 4 Wochen ungekühlt in einem Regal gestanden hat, dann bekommt der Kunden nicht mehr das Bier, das wir ausgeliefert haben. An der Stelle verliert man die Kontrolle über das Endprodukt…
Was macht ein Start-Up für Euch aus? Und was besonders in der Bier Branche?
Ein Start-up macht aus, dass man eine Sache neu erfinden darf und das wollen wir ausnutzen. Besonders in der Bierbranche gibt es wirklich viele alte Zöpfe und die sollen von uns aus auch gerne da bleiben, es gibt ja auch Abnehmer dafür, aber selbst im Rahmen des Reinheitsgebotes ist das mögliche Potential nicht ansatzweise ausgeschöpft worden. Und dabei reden wir noch gar nicht davon, was man außerhalb des Reinheitsgebotes alles an krassem Zeug machen kann. Es gibt in den USA eine kleine Brauerei, die ihre Biere mit allem möglichen Zeug ergänzen, das sie im Wald um sich herum finden. Die sind da sehr beliebt und sie können absolut kreativ sein und das sind Dinge, die uns interessieren. Nicht unbedingt, ob wir uns an irgendwelche Regeln halten. Wir haben im Bereich Hefe noch gar nicht richtig angefangen, das Potential anzuschauen und wir sind sicher, dass einem da Jahrzehnte lang nicht langweilig wird…
Warum sind Eure Biere anders? Was unterscheidet sie?
Ob wir bisher so ganz anders sind als andere, müssen andere beurteilen. Zum Beispiel Michael von Urban Tastings hat letztens gesagt, dass wir mit die abgefahrensten Hopfenkombinationen haben. Wir machen, was uns inspiriert und wollen Abwechslung bieten und auch selbst Abwechselung haben. Uns wird sicher von anderen unterscheiden, dass wir uns nicht gerne wiederholen wollen. Es wird eher kein Standardsortiment geben, das wir auf Lager halten. Nicht den hundersten Sud von diesem oder jenem Bier… Nachkaufen wird damit schwierig. Also immer genug bevorraten 🙂
Auf welche Kreationen seid ihr besonders stolz?
Unser Verkaufshit war das „Life is Good“ und danach das „Endless Vacation“. Darauf sind wir stolz, weil das eine sich gut verkauft hat und das andere wegen seiner komplexen Stimmigkeit von Kennern gelobt wird. Das „Life is Good“ hat im Craftbeer Magazin super Feedback bekommen und das war schon ein schöner Erfolg!
Regional oder International?
Definitiv regional, weil wir der Meinung sind, dass es zukünftig wichtig ist, lange Lieferwege zu vermeiden und sich immer mehr wieder auf Regionales zu besinnen. Das stärkt die nähere Umgebung/Infrastruktur und sichert auch eine gewisse Qualität, weil sich der regionale Hersteller stärker verpflichtet fühlt. Die reine Logistik von Glasflaschen ist zudem auch ein Problem, nicht nur finanzieller Art, und wir können dann auch letztlich nicht mehr so gut kontrollieren, ob ein Laden, z.B. in Hamburg, nach langem Versand quer durchs Land unser Bier zusätzlich noch in der Sonne im Schaufenster stehen hat und sich der Endkunde nachher fragt, was wir ihm denn da unterjubeln wollen. Außerdem: Mehr als das bisherige Kontigent können wir „nebenher“ zur Zeit auch kaum managen.
Wie geht es weiter? Was sind Eure Pläne für die Zukunft?
Wir werden auf jeden Fall erst einmal so weitermachen wie bisher, unsere Marke und Ideen vorantreiben, schöne Projekte suchen und weiter hier und da auf Messen gehen. Ob es einen Schritt in die Selbstständigkeit geben wird, können wir derzeit noch nicht abschätzen. Uns treibt das Interesse an kreativem Bier, und da gibt es noch viel zu lernen und zu probieren…